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MICHAEL KRAUSE Theologe

Zwei berufliche Wege hatte ich als Jugendlicher vor meinem Auge: ich wollte Pfarrer werden oder Kapitän auf hoher See. Auf Umwegen bin ich nach dem Studium der Theologie nun Bestatter geworden und – vorher schon - Trauerredner. Mit der Zeit ist mir bewusst geworden, dass ich das Glück habe, in diesem Beruf genau das tun zu dürfen, was ich schon immer tun wollte: Menschen in schweren „stürmischen“ Zeiten beizustehen. Und zu versuchen, Orientierung zu geben. Mit Herz, mit Verstand und mit Liebe.

Stürmische Zeiten hat es besonders in diesem Jahr 2021 für mich gegeben. Im Januar ist meine Frau Ingrid gestorben. Seitdem ist für mich nichts mehr so wie es war. Mir wurde der Boden unter den Füßen weggezogen. Gute Freunde und der Beistand der Lebens- und Sterbeamme Kerstin Wodetzky (siehe Partner) haben mir entscheidend geholfen, mich nicht zu verlieren. Zu den Veränderungen dieses Jahres gehört auch, dass die warmherzige Gordana Herman nicht mehr mit an Bord ist.

Mein Selbstverständnis

"Den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben." hat Mascha Kaléko einmal geschrieben.

Mit dem Tod der anderen, das heißt, mit dem Tod eines Menschen, der einem vielleicht sehr nahe stand, den man vielleicht geliebt hat, eines Elternteils etwa oder des Partners, des eigenen Kindes oder eines ferneren Angehörigen. Mit dessen Tod leben zu lernen, dabei „erste Hilfe“ zu leisten, das ist für mich die Aufgabe eines Bestatters. Es gibt das berechtigte Wort von einem "Abschied in Würde". Das heißt von einem Abschied, der dem Leben und dem Tode des bzw. der Verstorbenen gerecht wird. Und ebenso dem Leben und den Bedürfnissen der Lebenden; ein Abschied, der "stimmig" ist. Dazu gehört auch die Achtung vor dem Körper des Verstorbenen, das Herantasten an die Realität des Todes, ein erstes Beginnen des Los-Lassens.

Dabei zu begleiten, zu beraten, zu helfen, empfinde ich als zutiefst befriedigend.

Wenn man als Bestatter gerufen wird, trifft man auf Menschen in einer Ausnahmesituation. Menschen, die gefasst oder verzweifelt sind; Menschen, die in diesem Moment und in dieser Zeit besonders verletzlich sind oder – umgekehrt – sich besonders nüchtern und scheinbar emotionslos geben. Jeder Mensch reagiert auf einen Verlust auf seine Weise. Da gibt es von vornherein kein „Richtig“ oder „Falsch“.

Es gibt natürlich Abläufe und Verhaltensweisen, mit denen man sich in der Regel langfristig keinen Gefallen tut. So halte ich beispielsweise nichts von der Ansicht „Schauen Sie ihn (oder sie) nicht noch einmal an. Behalten Sie ihn so in Erinnerung, wie er zu Lebzeiten war.“ Dadurch werden Räume für Unsicherheiten und Fantasie-Vorstellungen geschaffen, die einer „gesunden“ Trauerarbeit, einem Realisieren des Todes entgegenwirken. Auch dies lässt sich wiederum nicht pauschal sagen. Es kann Situationen geben, in denen eine Aufbahrung kaum möglich ist. Und in jedem Fall gilt: Der Angehörige darf und muss letztendlich selber entscheiden, was er sich zumuten kann bzw. will.

An den Bestatter sind besondere Anforderungen hinsichtlich Einfühlungsvermögen, Taktgefühl, Diskretion und Integrität gestellt. Integrität heißt: die Bedürfnisse und Wünsche des Angehörigen (nicht die des Bestatters, etwa in kommerzieller Hinsicht) sind maßgeblich. Ebenso selbstverständlich sollte die Fachkompetenz des Bestatters sein. Der Bestatter ist eben nach meinem Verständnis Begleiter und Berater.

Oft wird mir gesagt: „Diesen Beruf könnte ich nicht ausüben. Ist das nicht manchmal arg schwer?“ Es ist manchmal schwer, ja. Zumal, wenn Kinder betroffen sind. Und zugleich gilt: Ich wüsste für mich keinen befriedigenderen Beruf. Dem Tod zu begegnen, heißt auch, dem Leben zu begegnen. Keines ohne das andere. Vielleicht wird man ein wenig bewusster; weiß den Moment, den unbeschwerten, wie den schmerzhaften, mehr zu schätzen.

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